Schutzbedarf

Karstgebiete und Höhlen unterscheiden sind in verschiedenen Punkten von anderen Landschaftstypen oder Lebensräumen. Weil in Sekunden unwiderruflich zerstört werden kann, was Tausende von Jahren zu seiner Entstehung brauchte, müssen wir Karstobjekte allein schon wegen ihrer hohen Empfindlichkeit auf äussere Einflüsse vor Schaden bewahren.

An der Oberfläche erkennen wir oft nur auffällige Felsformationen wie Karrenfelder. Unter der Erdoberfläche verstecken sich jedoch kleine Höhlen bis hin zu ausgedehnten, kilometerlangen Systemen von Schächten und Galerien mit teilweise bis heute aktiven Wasserwegen. Diese Hohlräume im Untergrund bieten mit all ihrem Inhalt Lebensraum für verschiedene Tierarten und sind naturwissenschaftliche Archive mit wertvollen Informationen über die Entwicklung menschlicher Kulturen, die Entstehung der Landschaft und über die Auswirkungen von Klimaveränderungen. Während Gletscher an der Erdoberfläche viele Zeugen aus längst vergangenen Zeiten vernichtet haben, können vor Jahrmillionen abgelaufene Prozesse noch heute in Ablagerungen von Höhlen nachgewiesen werden.

Aufgrund der ausserordentlich langsam voranschreitenden Prozesse ihrer Entstehung und wegen des weitgehenden Fehlens von Puffer- und Regenerationsfähigkeit sind diese Lebensräume und Ablagerungen im Untergrund verschiedenen Gefährdungen in besonderem Mass ausgesetzt. Einmal verursachte Schäden können kaum mehr rückgängig gemacht werden. Um einen Verlust an teilweise noch gar nicht richtig bekannten Arten oder Artefakten zu verhindern, müssen Höhlen und ihre «Einzugsgebiete» (wie zum Beispiel Karstplateaus) sorgsam behandelt werden.

Je nach Wert eines Objekts (abhängig von der Geologie, den vorhandene Tierarten und Ressourcen wie z.B. Trinkwasser) ist sein Gefährdungspotenzial unterschiedlich. Seine Eigenschaften und seine Lage führen zu einem bestimmten Gefährdungsgrad (je nach Empfindlichkeit auf äussere Einflüsse, Erreichbarkeit und Aktivitäten in seiner Umgebung).

Schutzwürdigkeit

Karstobjekt sind in der Schweiz in grosser Zahl anzutreffen. Nicht jede der heute über 9'000 bekannten Höhlen hat jedoch dieselbe Bedeutung.

Um die Schutzwürdigkeit einheitlich und nachvollziehbar beurteilen und einen Schutzgrad bestimmen zu können, hat die SGH in Zusammenarbeit mit der «Arbeitsgruppe Geotopschutz Schweiz», die der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften angegliedert ist, bereits 1997 nachfolgende Kriterien festgelegt:

- Seltenheit / Einzigartigkeit (gibt es in der betrachteten Region eine ähnliche Erscheinung?)
- Ursprünglichkeit / Ganzheitlichkeit / Erhaltungszustand (möglichst wenig Veränderungen durch den Menschen)
- Zeugnis für einen Zeitabschnitt der Erdgeschichte / für bestimmte Vorgänge (z.B. Sinterbildung oder Neotektonik) / für besondere Geländeformen und Phänomene
- Wissenschaftliche Bedeutung (Erhaltung für zukünftige Untersuchungen)
- Didaktischer, erzieherischer Wert
- Kulturhistorische Bedeutung

Gefährdung

Nach dem Motto «man schützt nur, was man kennt und liebt» gilt es Höhlen überhaupt erst zu entdecken, um sie nicht aus Unkenntnis möglichen Gefährdungen auszusetzen.

Im Alltag lernen wir die Natur als Ort des stetigen Wandels kennen. Im Zusammenhang mit Karst müssen wir unsere Wahrnehmung jedoch anpassen, weil hier die natürlichen Vorgänge oft stillzustehen scheinen. Sie laufen derart langsam ab, dass wir Veränderungen in unserer beschränkten Lebens- und Beobachtungszeit kaum mehr zu erkennen vermögen. Umso wichtiger sind sehr genaue Messungen, eine wissenschaftliche Dokumentation der Zustände und möglichst umfassende Kenntnisse aller Entwicklungen.

Bedrohungen unterirdischer Hohlräume von aussen können sein:

- Eintrag von schädlichen Stoffen oder organischem Material in Höhlengewässer (aufgrund der in Karstgebieten oft fehlenden Filterwirkung der Bodenschichten),
- Veränderung des grundsätzlich gleichbleibenden Höhlenklimas durch Bautätigkeit,
- Zerstörung von Lebensraum oder Ablagerungen (wie z.B. Tropfsteinen) durch Bautätigkeit,
- Nutzung von Ressourcen zur unterirdischen Energiegewinnung oder Tropfstein- und Sinterentnahme durch Mineraliensammler.
- Wissenschaftliche Forschungstouren, Freizeitaktivitäten oder kommerzielle Höhlenausflüge gefährden die unterirdische Welt aber auch "von innen". Weil jede Befahrung eine Beeinträchtigung einer Höhle und all ihrer Inhalte mit sich bringen kann, bekennen sich Höhlenforschende freiwillig zu allgemeinen Verhaltensregeln für eine naturverträgliche Ausgestaltung der Erforschung, die in einem Ehrenkodex festgeschrieben sind. Sie zeigen damit auch ihr Bewusstsein, dass möglichst wenig Spuren hinterlassen und Schäden wenn immer möglich vermieden oder möglicht gering gehalten werden müssen.

↩zurück↩